TRUE CRIME
Storys, die atemlos machen FRESH MAGAZIN
Erschlagen, erdrosselt, erschossen – das vereint auf
schmerzliche Weise die schwulen Männer, denen dieses Buch gewidmet ist. Sie
wurden nicht ermordet, weil sie homosexuell waren. Sondern weil sie zu ihrer
Zeit nicht so leben konnten, wie sie es wollten. Das trieb sie in Abgründe, in
die sie sich verstrickten und denen sie nicht mehr entkamen. Es wird auch um
die Mörder gehen. Was trieb sie zu ihren Taten, wie verteidigten sie sich vor
Gericht und welches Strafmaß mussten sie verbüßen?
In „Night and Gay – Prominente Homosexuelle und ihre Mörder“
wird von dramatischen und aufwühlenden Tragödien berichtet. Von Schauspielern,
Sängern, Schriftstellern, Komponisten, Fußballspielern, Modedesignern. „Night
and Gay“ erzählt von zehn schwulen Männern, die zu Lebzeiten bekannt waren und
heute teils vergessen sind. Aber ihre Schicksale berühren immer noch.
_EINS_
Schuss im Dunkeln
Der Tenor John Garris
Ein Mann auf der Suche nach einer flüchtigen Begegnung. Ein
Mörder, der auf ihn wartet. Das FBI auf der Jagd nach dem Täter.
_ZWEI_
Endstation Paradies
Der Komponist Marc Blitzstein
Ein Drink mit drei Matrosen. Ein Toter am anderen Morgen.
Die Wahrheit über das was geschah, wurde zunächst vertuscht.
_DREI_
The Rest is Silence
Der Dichter Joe Orton
Er war der Bad Boy des britischen Theaters. Er starb nicht
allein.
_VIER_
Tod eines Latin Lovers
Der Schauspieler Ramón Novarro
Verabredet war eine Party mit zwei Brüdern an einem
Swimmingpool in Hollywood. Der Abend geriet außer Kontrolle. Vor Gericht
beschuldigten sie sich gegenseitig der blutigen Tat.
_FÜNF_
100 Messerstiche
Der Broadway-Star Danny Lockin
Er plante seit längerer Zeit, ihn zu ermorden. Der junge
Mann folgte ihm arglos. Als die Leiche entdeckt wurde, wusste niemand, wer der
Tote war.
_SECHS_
Mord aus Rache
Der Politiker Harvey Milk
Als offen lebender Stadtrat von San Francisco wurde er zu
einer Ikone der homosexuellen Emanzipationsbewegung. Fünf Schüsse löschten sein
Leben aus. Als sein Mörder nur eine geringe Strafe erhielt, brach im schwulen
Castro-Viertel das Chaos aus.
_SIEBEN_
Trügerische Idylle
Der Entertainer Dick Kallman
Der Tizian im Wohnzimmer war 2 Millionen Dollar wert. Sein
Leben keinen Cent. Hatte die Mafia die Hände im Spiel?
_ACHT_
Überall Blut
Der HSV-Spieler Heinz Bonn
Er kickte an der Seite von Uwe Seeler in der ersten
Bundesliga. Seine Leiche lag in einer schäbigen Einzimmerwohnung. Tagelang,
ohne dass ihn jemand vermisste.
_NEUN_
Die Stadt, die Nacht und der Tod
Der Modezar Rudolph Moshammer
Sie begegneten sich im Bahnhofsviertel. Der Mann versprach
Sex für Geld. Es kam zum Streit. Sein Opfer hatte keine Chance.
_ZEHN_
Die Porno-Killer
Der Filmproduzent Bryan Kocis
Sie wollten im Gay-Erotik-Business erfolgreich sein. Dafür
gingen sie über Leichen. In Verdacht gerieten andere.
Leseprobe:
100 Messerstiche
Der Broadway-Star Danny Lockin
Nach dem mehrwöchigen Gastspiel in St. Louis als Tom Sawyer
erreichte Danny Lockins Karriere einen ersten Höhepunkt. In der
Uraufführungsserie des Musicals Hello, Dolly! übernahm er die Rolle des Barnaby
Tucker und war damit mehrere Jahre lang auf der Bühne des St. James Theatre zu
erleben. In der musikalischen Komödie mit den Songs von Jerry Herman soll die
Heiratsvermittlerin Dolly Levi für den reichen Unternehmer Howard Vandergelder
eine geeignete Frau herbeischaffen. Vandergelder hat zwei Angestellte:
Cornelius Hackl und Barnaby Tucker, die singend und tanzend die Brautschau
begleiten. Da die Aufführungen am Broadway ein grandioser Erfolg waren,
sicherte die Filmgesellschaft 20th Century Fox sich die Kinorechte. Die
Hauptrolle der umtriebigen Heiratsvermittlerin Dolly übernahm in der
Leinwandversion ein Super-Star – Barbra Streisand. Die Rolle des Barnaby Tucker
ging nach mehreren Probeaufnahmen an Danny Lockin. Regie bei der Verfilmung
führte Gene Kelly. Die Kinoadaption erhielt drei Oscars: für die Ausstattung,
den Sound und die Musik.
Danny Lockin hatte es geschafft. Er stand nun als Darsteller
in der ersten Reihe, und mittlerweile war er auch verheiratet. Seine Ehefrau
Cathy Haas, ein ehemaliges Musical-Starlet, die er auf einer gemeinsamen
Tournee in Las Vegas geheiratet hatte, bezog mit ihm ein Haus in Los Angeles.
Danny hatte es von der üppigen Gage für seine Mitwirkung in der Kinoversion von
Hello, Dolly! erworben. Schon bald war man zu dritt, denn dort wurde zu Beginn
des Jahres 1969 der gemeinsame Sohn Jeremy Daniel geboren. Als Hello, Dolly! in
den Kinos anlief, ging Danny ohne seine Familie zurück nach New York, um erneut
in seiner Glanzrolle als Barnaby Tucker in Bühnenaufführungen am St. James
Theatre aufzutreten. Das Publikum zeigte sich begeistert, einen Mitwirkenden
der Verfilmung live im Theater zu erleben.
Doch trotz des großen Erfolges, auf den er lange gewartet
hatte, nagte etwas an ihm. Seine Homosexualität, von der auch seine Ehefrau
nichts wusste. Der amerikanische Musical-Experte Richard Skipper weist auf
einer dem Musical Hello, Dolly! gewidmeten Internetseite darauf hin, dass es
Cathy dennoch immer mehr auffiel, wie oft ihr Ehemann mit Ray Workman zusammen war.
Der 24-jährige Ray Workman war ein Fan, nicht nur von Danny Lockin, sondern vor
allem von Hello, Dolly!, eine damals wie heute vielgespielte Show. Ray hatte
das Musical bereits unzählige Male mit allen möglichen Dollys gesehen, von
Carol Channing über Pearl Bailey bis hin zu Ginger Rogers. Danny und er lernten
sich eher zufällig kennen. Ray, der Journalismus studierte, hatte Danny
schriftlich gebeten, ihm ein Interview für eine Studentenzeitschrift zu geben.
Danny Lockin willigte ein und Ray Workman interviewte ihn nach einer
Vorstellung von Hello, Dolly! in seiner Garderobe.
Ray Workman war schwul. Daraus kann zwar nicht geschlossen
werden, dass er mit Danny Lockin zusammen war. Doch als Ray nach Los Angeles
flog, um Danny bei seiner Familie zu besuchen, der dort einige Urlaubstage
verbrachte, zeigte Cathy sich dem fremden Besucher gegenüber distanziert.
Nachdem Ray wieder abgereist war, kam es zu Diskussionen über ihre Ehe mit dem
Ergebnis, dass sie mehr zu kitten war. Im August 1969 reichte Cathy die Scheidung
ein und nahm den gemeinsamen Sohn Jeremy mit. War Danny Lockin eine Scheinehe
eingegangen? Die Vermutung liegt nahe. Viele Homosexuelle flüchteten sich
damals in eine Heirat mit einer Frau, auch weil sie irrtümlicherweise glaubten,
das könnte sie von ihrem Schwulsein »heilen«. Kam dann die Wahrheit ans
Tageslicht, fühlten sich die Frauen in ihrem Innersten betrogen, und die Männer
litten oft unter Schuldgefühlen, weil sie eine Ehe unter falschen
Voraussetzungen geschlossen hatten. So auch in diesem Fall. Der Autor Sam
Tweedle schreibt im Filmfax Magazin in einer biografischen Notiz über Danny
Lockin, dass die Trennung von seiner Frau Cathy auch »seine Seele verwüstete«.
Doch in den Jahren um 1970 outete man sich nicht, auch weil in vielen US-Bundesstaaten
»homosexuelle Betätigung« weiterhin unter Strafe stand. Außerdem war damals
offen gelebtes Schwulsein, sollte es überhaupt dazu kommen, wenig
karrierefördernd. Das galt auch beim Film und ebenso für die Arbeit am Theater.
Also schwieg man darüber, versteckte es vor anderen und stieg mit einem Mann
nur heimlich unter die Bettdecke, stets darauf bedacht, dass kein
Außenstehender davon erfuhr.
Danny Lockin war nach der Trennung von Cathy nun wieder auf
sich allein gestellt, und auch seine so hoffnungsvoll angelaufene Karriere
neigte sich bereits wieder dem Ende zu, als im Dezember 1970 in New York die
Laufzeit des Musicals Hello, Dolly! nach sieben Jahren beendet wurde. Zu seiner
Enttäuschung fand der 27-Jährige kein neues Engagement. Sein Manager konnte ihm
nicht helfen, obwohl er es versuchte, doch vor den Türen der Broadway-Shows und
vor den Toren Hollywoods standen Legionen von jungen und gut aussehenden
Männern, die ebenso wie Danny ausgezeichnet singen und tanzen konnten. Danny
musste, wie so viele andere, schmerzlich erfahren, dass selbst die Mitwirkung
in einem Oscar-gekrönten Musicalfilm und ein langjähriges Engagement am
Broadway keine Garantie für eine dauerhafte Karriere im Showbiz waren.
Frustriert zog er in das Haus seiner Mutter, die mittlerweile in der Stadt
Garden Grove im kalifornischen Bezirk Orange County eine Tanzschule betrieb.
Der Vater war 1961 verstorben. Danny gab Tanz- und Gesangsunterricht und
zweifelte an sich selbst, obwohl er bei seinen Schülerinnen und Schülern als
Lehrer sehr beliebt war. Sollte es das bereits gewesen sein?
21. August 1977
Die Jahre gingen dahin, aber um wieder mehr Aufmerksamkeit
zu erringen und seiner Karriere einen neuen Kick zu geben, bewarb Danny Lockin
sich 1977 für einen Auftritt in The Gong Show, eine bei Fernsehzuschauern sehr
beliebte Sendung. Aufgezeichnet wurde die Folge der Gong Show mit seinem
Auftritt am 21. August 1977 in den NBC TV-Studios in Burbank/Kalifornien. Was
mag es für ihn bedeutet haben, mit inzwischen 34 Jahren als fast vergessener
Musicalsänger Kandidat in solch einer Unterhaltungssendung zu sein? Präsentiert
wurde ein Wettbewerb mit Amateurdarstellern von meist zweifelhaftem Talent, die
sich zudem oft der Lächerlichkeit preisgaben. Und das vor einer Jury, die nur
darauf wartete, auf einen Gong zu schlagen, um den Show-Act abzubrechen und die
Nummer dadurch abrupt zu beenden. Wer sich hingegen durchsetzte und als Sieger
hervorging, gewann einen Scheck über fünfhundert Dollar. Danny ging es dabei
nicht ums Geld. Er wollte wieder im Scheinwerferlicht stehen. Also sang und
steppte er vor der Fernsehkamera wie zu alten Broadway-Zeiten. Und er war nicht
allein. Seine künstlerische Partnerin in der Aufzeichnung der Gong Show war
eine Tanzlehrerin aus der Schule seiner Mutter: Billie Jo Conway. Eine Frau,
die 136 Kilo auf die Waage brachte und dennoch eine phantastische Stepptänzerin
war. Alles ging gut. Das Duo war sowohl beim Publikum als auch bei der Jury der
Hit und erreichte den ersten Platz. Danny war überglücklich, konnte aber nicht
ahnen, dass dies sein letzter öffentlicher Auftritt war.
Bei der Fernsehaufzeichnung saß seine Mutter Jean im
Publikum, um ihn anschließend mit dem Wagen nach Hause zu bringen, denn seinen
Führerschein hatte er inzwischen wegen wiederholter Trunkenheit am Steuer
abgeben müssen. Zurück in Garden Grove bat er sie gegen 22 Uhr, ihn zur Mug-Bar
zu fahren. Danny wollte dort am späten Sonntagabend noch etwas flippern.
Anschließend würde er mit einem Taxi zu ihrer gemeinsamen Wohnung
zurückzufahren.
Danny hatte inzwischen, auch auf Anraten seiner Mutter, die
ihren Sohn nicht unglücklich sehen wollte, sein Versteckspiel aufgegeben. Das
Mug war eine der vielen Gay-Bars am Garden Grove Boulevard, die es zu dieser
Zeit dort gab und in denen Kontakte geknüpft werden konnten. Danny trank im Mug
ein Glas Gin und flipperte. Dazu tönte aus den Lautsprechern aktuelle
Chart-Musik wie Abba mit Dancing Queen. Das Publikum der Bar war bunt gemischt.
Butche Lederkerle, blasierte Collegeboys, biedere Angestellte und einige
lesbische Frauen amüsierten sich mit Drinks in den Händen.
In einem später geführten Gespräch mit der Tageszeitung
Santa Ana Register über das Verbrechen an Danny Lockin erzählte Dennis Reeves,
der ebenfalls schwul war und regelmäßig die Mug-Bar besuchte, dass Danny gerne
harte Drinks in sich reinkippte. Das blieb nicht ohne Folgen. »Danny war in
einer Minute noch höflich, dann auf einmal streitsüchtig. Nach Schließung der
Bar war es schwer, ihn zum Gehen zu bewegen«, erinnerte sich Dennis Reeves und
fügte hinzu: »Danny war bei den Gästen nicht sehr beliebt und sprach permanent
davon, demnächst eine Schallplatte zu veröffentlichen. Einige Songs hatte er
bereits dafür komponiert.«
Am Sonntagabend des 21. August 1977 betrat gegen 22.30 Uhr
ein Mann die Mug-Bar. Danny begrüßte ihn, weil er ihn kannte und ihn in dessen
Wohnung schon mehrfach besucht hatte, um dort Sex mit ihm zu haben. Die beiden
unterhielten sich bei einigen Drinks. Der Mann lud Danny ein, auch dieses Mal
mit ihm den Rest des Abends in seiner Wohnung in den nahegelegenen Westminster
Park Apartments zu verbringen. Danny willigte ein und verließ mit ihm die Bar.
Zeugen sagten später aus, dass sein Begleiter der 34-jährige Charles Lester
Hopkins gewesen war, ein schlanker, bärtiger Mann, der in der Notrufzentrale
eines Krankenhauses arbeitete.
Etwa eineinhalb Stunden, nachdem die beiden Männer die
Mug-Bar verlassen hatten, es war inzwischen kurz vor Mitternacht, erhielt die
Polizei von Garden Grove einen Anruf von einem anderen Bewohner der Westminster
Park Apartments. Er hatte Lärm und gellende Schreie aus einer Nachbarwohnung
gehört, und zwar genau aus dem Apartment, das Charles Hopkins gehörte.
Als die Cops in der Wohnanlage eintrafen und klingelten,
öffnete Hopkins ihnen die Tür. Die Polizisten wollten wissen, was los war.
Hopkins tischte ihnen folgende Story auf: Spätabends habe ein Mann bei ihm
geschellt und Hopkins habe die Wohnungstür geöffnet, um zu erfahren, wer das
sei. Der fremde Besucher sei daraufhin mit einem Messer in der Hand in sein
Apartment eingedrungen und habe versucht, ihn zu berauben. Hopkins habe sich
gegen den Einbrecher lediglich zur Wehr gesetzt. Daher der Lärm, den der
Nachbar gehört hatte.
Entsprach das der Wahrheit?
Weiter geht es in NIGHT AND GAY
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