Julia von Marholm: Der Mondsteinhügel



Was für ein Verrat an ihrer Liebe! Alles bricht in Linda zusammen. Eben noch war ihre Welt an der Seite des vermögenden Steuerberaters Scott perfekt. Was sie aber dann über ihn erfährt, zerschneidet ihre Seele wie ein glühendes Schwert. Scott ist bisexuell und hat etwas mit einem anderen Mann.

Linda flüchtet aus der Villa, in der sie mit Scott lebte, zu ihren Freunden Jennifer und Greg nach San Francisco. Verzweifelt über Scotts niederträchtiges Verhalten gerät ihr Leben aus den Fugen. Linda hatte gehofft, nach dem Studium an einer Fachschule als Scotts Ehefrau zu einer erfolgreichen Modedesignerin aufzusteigen.

Eine Begegnung mit dem englischen Literaturprofessor Anthony Keen scheint ihr Leben in eine neue Richtung zu lenken. Aber ist sie dazu bereit? Oder soll sie zu Scott zurückkehren, der um Verzeihung bittet?

Eine Geschichte von Vertrauen und Täuschung, von zerstörten Hoffnungen und neuen Träumen - und vom Engel über den Gewässern.


Die folgenden Fotos sollen den Leserinnen und Lesern Schauplätze aus dem Roman zeigen und sind mit entsprechenden Zitaten aus dem E-Buch versehen. Im Anschluss an die Bildfolge gibt ein Lesebeispiel weiteren Einblick in die Story.
















Leseprobe: Der Mondsteinhügel



Linda wechselte am Hauptbahnhof von San Francisco in eine andere Buslinie und sie wäre auch mit einem weniger warmen Sommertag zufrieden gewesen, als sie an der Haltestelle vor dem Einkaufszentrum in der Nähe von Scotts Villa aus dem Bus stieg. Selbst noch am Abend schlug ihr eine flirrende Hitze entgegen. Da ihr bis zu Scotts Anwesen ein Fußweg von eineinhalb Meilen über eine kleine, asphaltierte Straße bevorstand, entschloss sie sich, ihn anzurufen, damit er sie abholte. Die Überraschung, sie an diesem Wochenende zu sehen, wäre dadurch nicht weniger gewesen. Vergeblich versuchte sie auf ihrem Smartphone eine Verbindung herzustellen. Am anderen Ende ging nur der Anrufbeantworter an. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihr blieb nichts anderes übrig, als den Weg zu Fuß zurückzulegen.

Da sie durstig war, zog sie sich an einem Automaten neben der Bushaltestelle eine kleine Flasche Mineralwasser und fragte sich, wo das achtjährige Mädchen geblieben war, das als Beste ihrer Jahrgangsstufe unermüdlich am Schwebebalken trainierte und von einem Auftritt bei den Olympischen Spielen träumte. Und jetzt scheute sie einen Fußweg von eineinhalb Meilen. Linda trank einen Schluck und verstaute die Flasche in der Handtasche. Sie bedauerte, dass er bei ihrem Anruf vor einigen Minuten nicht abgehoben hatte. Aber vielleicht schwamm er im Pool. Oder war er in die Shoppingmall gefahren? Linda drehte sich um und ließ den Blick über den großen Parkplatz schweifen, konnte aber sein Auto auf Anhieb nirgendwo entdecken. Sicherlich hätte sie jetzt die Wagenreihen absuchen können, aber das wäre lächerlich gewesen, nur um sich einen Fußweg zu ersparen. Und selbst wenn sie Scotts Auto gefunden hätte – wie sollte sie ihn in der weitläufigen Shoppingmall aufspüren? Sie trank einen weiteren Schluck Wasser und machte sich auf den Weg, der über eine kleine Asphaltstraße zwischen Maifeldern zu seinem Anwesen führte.

Linda brauchte länger als erwartet. Endlich erreichte sie die mit Kies bestreute Auffahrt zu Sotts Villa, dessen Eingangsbereich eine Mauer umgab. Sie fühlte sich verschwitzt, als sie darauf zuging, und hatte eine Idee. Es würde das Beste sein, nicht die Eingangstür zu benutzen, sondern zu der links vom Haus angebauten Garage zu gehen. Von dort aus könnte sie die Villa durch einen Nebeneingang betreten, denn davon führte eine schmale Treppe in die erste Etage zu einem Flur, an dem ihr Zimmer lag.

Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt und als Linda am Haupteingang vorbeikam, fielen ihr zwei Autos auf. Den silbernen Cadillac identifizierte sie als Gregs Eigentum. Den blauen Porsche hatte sie allerdings noch niemals hier gesehen. Linda dachte nach, als sie den Nebeneingang aufschloss. Vielleicht war Greg zu Besuch und möglicherweise war Jennifer in seiner Begleitung, dann würde sie die beiden auch wiedersehen, wenn sie in wenigen Minuten als Überraschungsgast auf der Terrasse vor ihnen stand. Und der Porsche? Vielleicht gehörte er Verena und John. Scott hatte ihr vor der Abfahrt in das Sommercamp erzählt, dass er plante, die beiden demnächst mal einzuladen. Für eine etwas größere Gesellschaft sprach auch der Fackelschein, der hinter der Mauerkrone leuchtete. Wenn Scott Partys gab stellte er oft auf der Wiese rund um den Pool große tönerne Behälter auf, in denen brennende Fackeln standen. Sie spendeten ein rötliches Licht, das Linda in diesem Moment eher gespenstisch als romantisch vorkam. Und wenn Scott wirklich eine Party veranstaltete – wieso hatte er ihr nichts davon erzählt? Und wieso hatte er die Party nicht auf das kommende Wochenende verlegt, wenn sie offiziell aus dem Sommercamp zurück war?
Mit leisen Schritten, damit niemand sie hörte, stieg Linda die Nebentreppe hinauf. In der ersten Etage war nicht nur ihr Zimmer, sondern auch Scotts Schlafzimmer sowie ein weiteres Gästezimmer.

Sie gelangte am oberen Ende der Treppe an und öffnete eine Tür, die auf den Flur führte. Zunächst würde sie duschen und dann würde sie sich Scott in die Arme werfen, damit alle Gäste wussten, wie glücklich sie mit ihm war.


Linda öffnete die Tür ihres Zimmers, durch dessen Fenster der Blick in den Garten fiel. Um ihren Besuch zunächst noch geheim zu halten, verzichtete sie trotz der Abenddämmerung darauf, die Deckenbeleuchtung einzuschalten. Das aufflackernde Licht hätte am Pool und vor allem bei Scott nur Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Schließlich wollte sie ihn und seine Gäste mit ihrem Besuch überraschen. Linda warf die Handtasche aufs Bett und schlich zum geschlossenen Fenster, um herauszufinden, wer bei der Party am Pool anwesend war. Was sie sah, ließ sie an einen schlechten Traum denken.



E-Book-Ausgabe bei

Amazon



Kommentare

Beliebte Posts